Samstag, 27. August 2011
Heilige Kuh mutiert zu Raubtier (Teil I)
Heilige Kühe mutieren zu Raubtieren!

Es gibt sie noch, die "Heiligen Kühe", an die sich (fast) niemand heran traut. In unserer Gesellschaft sind es zunächst wohl die beiden großen Kirchen (die sogar ihr eigenes Kirchenrecht haben und so z.B. anders-konfessionelle oder nicht-konfessionelle Arbeitnehmer diskriminieren). Weiter könnte man denken, dass die großen Kammern - IHK (Industrie- und Handelskammer) oder Handwerkskammern - mit ihren "Zwangsmitgliedschaften" zu den "Heiligen Kühen" in diesem Land gehören, über deren Zweck und Sinnhaftigkeit kaum einer wagt, öffentlich zu diskutieren. Weiterhin gibt es einen Automobilclub, der sich als der größte Deutschlands und einer der größten in der Welt versteht, der unter den vier großen Buchstaben ADAC bekannt ist und mit seinem Ruf als "Gelbe Engel" den Eindruck erweckt, als könnte er "kein Wässerchen trüben". Über diesen Automobilclub und seine fragwürdige innere Führung und Organisation soll es bei dieser Betrachtung gehen.

Der ADAC ist ein Verein, bei dem man Mitglied werden kann. Nach eigenen Angaben haben mehr als 17 Millionen Bundesbürger eine Mitgliedschaft in diesem Verein. Es gibt eine Vereinssatzung, in der die Ziele und der Zweck des Vereins geregelt sind, nur bekommt kaum ein Mitglied diese Satzung zu Gesicht. Üblicherweise ist es bei einem Verein so, dass die Mitglieder den Vereinsvorstand wählen können, auch das ist beim ADAC nur sehr eingeschränkt der Fall.

Eine ganz wichtige Besonderheit ist, dass es so genannte Ortsclubs in ganz Deutschland gibt, die viel Macht innerhalb des ADAC haben und aus deren Kreisen sich dann in der Regel die Vorstandsmitglieder und die Mitglieder des Präsidiums rekrutieren, die die Macht ausüben. Weit mehr als zwei Drittel dieser Ortsclubs sind "Motorsportclubs", also der Motorsport steht im absoluten Vordergrund der lokalen Vereinsaktivitäten. Nebenbei sei bemerkt, dass gerade im Motorsportbereich vieles im Argen liegt. Um nicht zu sehr ins Detail zu gehen und den Rahmen dieses Textes nicht zu sprengen soll nur so viel gesagt werden, dass es allein innerhalb weniger Monate des Jahres 2011 zahlreiche schwere Unfälle bei ADAC-Motorsportveranstaltungen gab, z.T. mit schweren Personenschäden - auch von unbeteiligten Zuschauern, u.a. Kindern! - über deren Verantwortung in der Öffentlichkeit bis heute nichts bekannt wurde. Es wurde aber jeweils gemutmaßt, dass die Sicherheitsvorkehrungen von Seiten der verantwortlichen ADAC-Untervereine mangelhaft bis sträflich ungenügend gewesen sind! Beispiele sind: das Bergrennen in Stadtsteinach (Krs. Kulmbach), die große Baden-Württemberg-Rallye, die Motorsportveranstaltung rund um die hohe Aßlitz in Sonnefeld bei Coburg!

Nun aber zurück zum Thema: eine "heilige Kuh" muss man ja nicht gleich schlachten, was aber, wenn diese zum Raubtier mutiert?

Konkret:

In vielen Regionen Deutschlands beklagen Arbeitnehmer des Automobilclubs die schlechten Arbeitsbedingungen und ein miserables Betriebsklima. Konflikte zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung sind keine Seltenheit. Vorstandsvorsitzende und Geschäftsleiter in Nordrhein-Westfalen sind auf speziellen Seminaren eines versierten Rechtsanwalts gesehen worden, die zum Inhalt hatten, wie man sich einen "unkooperativen" Betriebsrat "vom Hals schaffen" kann. In Bayern lässt sich der ADAC von einer Frankfurter Fachanwaltskanzlei beraten und in verschiedenen Verfahren vor dem Arbeitsgericht Nürnberg und vor dem Landesarbeitsgericht Bayern vertreten. Diese Fachanwaltskanzlei wirbt mit Seminaren zum Thema "Geräuschloser Personalabbau auch bei guter konjunktureller Lage" oder berät Arbeitgeber, wie man mit unliebsamen Betriebsräten und Mitarbeitern umgeht, um sie los zu werden. Übrigens: ganz nebenbei leistet man sich einen weiteren hochtitulieren und renommierten Anwalt (Professor Doktor...), der gegen kritische Presseberichterstattungen regelmäßig mit Unterlassungsklagen vorgeht. So kann man dann sogar Journalisten einschüchtern.

In vielen Regionen Deutschlands versucht der ADAC, die tarifvertraglichen und arbeitsrechtlichen Bestimmungen zu unterlaufen. So wurde beim ADAC in Nürnberg eine bestehende Betriebsvereinbarung über bestimmte Zuwendungen unterlaufen, obwohl diese Gültigkeit hatte und noch nicht einmal vom Arbeitgeber gekündigt worden war. Betroffenen Mitarbeitern wurde die ihnen zustehenden Leistungen einfach ganz frech vorenthalten! Bei geringfügig beschäftigten Mitarbeitern wird zu deren Nachteil von der tariflichen Eingruppierung abgewichen und es werden niedrigere Löhne bezahlt, als es die niedrigste Tarifstufe vorsieht. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub, der auch den 400-Euro-Kräften rechtlich zusteht, wird nicht gewährt. Ganz schlecht wird mit geringfügig Beschäftigten z.B. vom ADAC in Hessen und Thüringen umgegangen.

In Nordbayern gab es ganz erhebliche Unregelmäßigkeiten bei der letzten Betriebsratswahl. Das Arbeitsgericht Nürnberg erklärte die Wahl für ungültig, der - seit dieser Wahl amtierende "arbeitgeberfreundliche" Betriebsrat (der für viele soziale Verschlechterungen mitverantwortlich ist) - beschloss allerdings, in die nächste Instanz zu gehen. Die Hauptverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Bayern findet Ende September 2011 statt. Die ganze Zeit über ist dieser "linientreue" Betrebsrat weiter im Amt und treibt sein "Unwesen".

Nachdem in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres zahlreiche Anschuldigungen gegen die Führung des ADAC Nordbayern in Nürnberg öffentlich wurden, setzte man eilig eine "Ombudsfrau" ein, an die sich die Beschäftigten anonym wenden konnten und deren Aufgabe es war, die Glaubwürdigkeit und Substanz der von zahlreichen Mitarbeitern vorgebrachten schwerwiegenden Vorwürfe zu überprüfen. Als der Bericht der Ombudsfrau fertig war, wurde er denjenigen vorgelegt, gegen die die Vorwürfe bestanden: der amtierende Vorstand und der "arbeitgeberfreundliche", "linientreue" Betriebsrat. Am Ende war klar: es wurden keinerlei Konsequenzen gezogen, es wird weiter gemacht wie zuvor und der Bericht der Ombudsfrau wird wie ein "militärisches Geheimnis" strengstens gehütet.

Sexistische und frauenverachtende "Übergriffe" wurden in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und in Bayern bekannt. Dabei sind bei einem Geschäftsführer digitale Fotos auf einem dienstlichen Computer aufgetaucht, die Mitarbeiterinnen fast nackt in den Diensträumen zeigen. Eine Angestellte wandte sich hilfesuchend an den Betriebsrat, sie ist inzwischen nicht mehr beim ADAC beschäftigt. In Hannover hat eine Mitarbeiterin, die sich sexuell herabgewürdigt und belästigt fühlte, Klage gegen einen Vorgesetzten erhoben.

In Sachsen Anhalt und Niedersachsen hat die Geschäftsführung des ADAC den Mitgliedern des dortigen Betriebsrats einfach Teile des Gehalts vorenthalten. Natürlich hat man den Prozess vor dem Arbeitsgericht verloren, aber der Machtmissbrauch geht weiter und man versucht, die Betriebsratsmitglieder sowie alle Arbeitnehmer, die nicht "gefügig" sind, mürbe zu machen.

In Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern wurden ADAC-Beschäftigte zu Hause belästigt. In mehreren Fällen tauchten Detektive vor den Wohnungen von Arbeitnehmern auf, beschatteten diese zum Teil tage- und wochenlang, holten von Nachbarn Erkundigungen über diese Mitarbeiter ein und bedrohten diese z.T. sogar. Auf Nachfrage eines Reporters der Süddeutschen Zeitung hat der ADAC zugegeben, Detektive gegen Mitarbeiter eingesetzt zu haben. Eine Beschäftigte, die arbeitsunfähig erkrankt war, bekam einen Besuch von ADAC-Personalern, die ihr an ihrer Haustür eine Abmahnung überreichten (möglicherweise wollte man ihre Genesung damit "fördern")!

Mehrere Arbeitnehmer wurden so mürbe gemacht, dass sie "das Handtuch geschmissen" und selbst gekündigt haben. Dabei benutzte der Arbeitgeber meist subtile, z.T. perfide, aber immer sehr wirksame Interventionen. Oft ohne eine neue Stelle zu haben und mit der entsprechenden Sperre beim Arbeitslosengeld, stehen die Beschäftigten, die es nicht mehr aushielten, jetzt auf der Straße! Viele Arbeitnehmer sind psychisch krank geworden und befinden sich in fachärztlicher und psychotherapeutischer Therapie und unter medikamentöser Behandlung. Existenzängste, Panikattacken, traumatische Erlebnisse am Arbeitsplatz, Mobbing und Schikanen kennzeichnen hier das Leben von ADAC-Beschäftigten.

Die Anträge auf Teilzeitbeschäftigung von Müttern, die aus der Erziehungszeit zurückkamen, wurden in mehreren Fällen ohne "vernünftigen" oder nachvollziehbaren Grund abgelehnt: entweder Vollzeit oder gar nicht! Auch bei Arbeitnehmerinnen, die einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit haben, hat der ADAC Teilzeitstellen - entgegen geltenden Rechts - verweigert. Die betroffenen Frauen hatten oft nicht die Nerven, ihren Anspruch einzuklagen und kündigten deshalb ihrerseits, weil sie nicht voll arbeiten konnten. Nun sind einige von ihnen immer noch arbeitslos!

Es gibt Fälle von Ehepartnern, die beide beim Automobilclub beschäftigt sind. Verhält man sich nicht "linientreu", dann werden die Dienstpläne auf Weisung "von oben" so gestaltet, dass man keine gemeinsamen freien Tage oder keine gemeinsamen freien Wochenenden mehr hat. Keine Frage, wenn man den ADAC um Stellungnahme bittet, dann lautet die Antwort, dass dies rein aus "dienstlichen Erfordernissen" geschieht! Es sind Fälle bekannt, bei denen Schwerbehinderten angekündigt wurde, dass sie "raus fliegen", wenn sie zu oft krank sind oder nicht die gewünschte Leistung bringen. Noch ein Beispiel? Einer Beschäftigten hat man den ihr vom Arzt wegen eines Rückenleidens verordneten orthopädischen Stuhl einfach nicht zur Verfügung gestellt. Soll sie doch dagegen klagen, das dauert und dauert und so lange kann sie ja Rückenschmerzen haben! Ein ADAC-Abteilungsleiter tönte auf einer Betriebsversammlung, dass Gesetze beim ADAC nicht interessierten, denn der "Markt" regelt alles von selbst! Mit anderen Worten bedeutet das, dass in den Führungsebenen des ADAC ganz offenbar eine Haltung vorherrscht, die von RAUBTIERKAPITALISTISCHEN STANDPUNKTEN geprägt ist.

Die Äußerung eines Anwalts in Hannover, der Arbeitnehmer des ADAC vertritt, wurde u.a. in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht: Was beim ADAC passiert, das ist menschenverachtend! Beschäftigte werden drangsaliert und unter Druck gesetzt, um sie gefügig zu machen. Vertreter der Gewerkschaft Verdi sprechen von einem "Klima der Angst" bei den Beschäftigten des ADAC. - Übrigens: klar ist der ADAC gleich gegen den Anwalt in Hannover und gegen Verdi juristisch vorgegangen. Die sechste Zivilkammer des Landgerichts Hannover hat im Juni 2011 entschieden, dass der Anwalt diese Äußerungen machen darf! Natürlich ist der ADAC gleich in Berufung in die nächste Instanz gegangen.

Die Aufzählung ließe sich noch beliebig fortsetzen und der Umfang dieser Abhandlung würde kaum ausreichen, um all das darzustellen, was von dem bekannt geworden ist, das sich bisher ereignet hat. Die Dunkelziffer ist sicherlich nicht unbeachtlich.

Was ist also hier geschehen?

Eine "heilige Kuh" ist dabei, sich in ein Raubtier zu verwandeln und dabei vieles von dem zu verschlingen, was redlich, gerecht, sozial und moralisch ist.

Wenn man das "Konstrukt" des ADAC genauer betrachte, dann fällt auf, dass es keine Kontrollinstanzen für Vorstände und Präsidium gibt. Einzelne ADAC-Mitglieder haben kaum die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Die machtvolleren ADAC-Ortsclubs sind wiederum finanziell von den Zuwendungen der ADAC-Gaue und diese von den finanziellen Zuweisungen der ADAC Zentrale abhängig. So pickt ein Raabe dem anderen kein Auge aus und von einer Kontrolle kann keine Rede sein. So ist Machtmissbrauch leicht möglich und diejenigen, die über die Macht verfügen, bauen diese immer weiter aus.

Man muss sich fragen, ob es im Interesse der rund 17 Millionen ADAC-Mitglieder ist, wenn sich der Verein als Arbeitgeber so daneben benimmt. Klar kostet es auch jede Menge von den Mitgliedsbeiträgen, die für Rechtsanwälte, Juristen und Gerichtsverfahren vom ADAC ausgegeben werden. In einem Fall beim ADAC in Nürnberg hatte man einer langjährigen Mitarbeiterin gekündigt, während diese arbeitsunfähig erkrankt war. Das Arbeitsgericht Nürnberg hat der Klage der Beschäftigten entsprochen und die Kündigung für unwirksam erklärt. Natürlich ist auch hier der ADAC in die nächste Instanz gegangen. Man könnte sagen: "Die Mitglieder bezahlen es ja!".

Seltsam ist auch, dass der ADAC in Luxembourg zwei Versicherungsgesellschaften unterhält, für die er die Gültigkeit und Geltung des luxemburgischen Rechts in Anspruch nimmt. Merkwürdig ist weiterhin, dass im Verwaltungsrat dieser beiden Versicherungsgesellschaften namhafte Führungspersonen des ADAC sitzen! Wer versteht diese Verflechtungen und wer kontrolliert sie? Bei anderen Konzernen, die in Form von Gesellschaften (z.B. GmbH oder Aktiengesellschaft) handeln, sieht das Gesetz umfangreiche Publikationspflichten vor. Bei Aktiengesellschaften gibt es Aufsichtsräte, in denen auch Mitareitervertreter Sitz und Stimme haben. Beim ADAC? Alles Fehlanzeige. Als Betriebsräte von einzelnen Niederlassungen die Absicht bekundeten, einen Konzernbetriebsrat gründen zu wollen, wurde dies von der ADAC Führung vehement abgelehnt. Die Begründung ist haarsträubend: der ADAC sei kein Konzern!!!

Merkwürdig ist auch, dass sich einige ADAC-Beschäftigte an ARD und ZDF gewandt haben, um auf ihre Fälle aufmerksam zu machen. Jedoch bekamen sie entweder überhaupt keine Antwort oder wurden immer wieder vetröstet (z.B. von Frontal21). Hier stellt sich die Frage, warum über andere Arbeitgeber immer wieder berichtet wird, die die Rechte ihrer Mitarbeiter mit Füßen treten (z.B. Schlecker, Lidl...), für den ADAC sich jedoch offenbar niemand wirklich interessiert. Merkwürdig auch, dass ein Verein, der ein derart großes gesellschaftliches Gewicht hat, ganz offenbar so agieren kann, ohne sich an irgendwelche Regeln zu halten.

Was kann man machen, wenn eine heilige Kuh zum Raubtier wird, jedoch unter dem Deckmantel eines "gelben" Engels auftritt und offenbar niemand das üble Spiel durchschaut? - Ich weiß es nicht! - Aber eines lieber Leser, das weiß ich sicher: ich bleibe an diesem Thema dran, werde mich nicht einschüchtern lassen und weiter berichten!
adia